Chancen und Herausforderungen für die Schweizer Glücksspielindustrie
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Publikation: 11. November 2025, Jonathan Schönholzer
Die Globalisierung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche erfasst und der Glücksspielmarkt bildet hier keine Ausnahme. Was einst ein lokal begrenztes Vergnügen war, das man in einem physischen Casino, einer Lotterie oder beim Sporttoto erlebte, hat sich heute zu einem digitalen, internationalen Phänomen entwickelt. Diese Entwicklung stellt Staaten wie die Schweiz vor neue Herausforderungen: Wie kann ein Land seine Spielregeln durchsetzen, wenn die Spieler längst auf globalen Plattformen unterwegs sind?
Globale Vernetzung und digitale Grenzenlosigkeit
Mit der Digitalisierung ist das Glücksspiel entgrenzt worden. Online-Casinos, Sportwettenportale und Pokerplattformen mit Sitz in Malta, Curaçao oder Zypern sind rund um die Uhr erreichbar. Während früher der Weg ins Casino einen bewussten Entschluss bedeutete, reicht heute ein Smartphone und eine Kreditkarte. Diese ständige Verfügbarkeit verändert nicht nur das Spielverhalten, sondern auch die Art und Weise, wie Staaten das Glücksspiel regulieren können.
Die Schweiz hat 2019 mit dem Geldspielgesetz versucht, die Kontrolle über den digitalen Glücksspielmarkt zurückzugewinnen. Seither dürfen nur Anbieter mit Sitz und Lizenz in der Schweiz Online-Casinos betreiben. Doch die Realität zeigt: Trotz Sperrlisten und IP-Blockaden sind internationale Anbieter weiterhin präsent. Wer sucht, findet Wege, über VPNs, Kryptowährungen oder Umwege über Nachbarländer. Hier offenbart sich ein Kernproblem der Globalisierung: Nationale Gesetze stossen im digitalen Raum schnell an ihre Grenzen.
Wettbewerb und Regulierungsdruck
Die Globalisierung hat auch den Wettbewerb verschärft. Schweizer Casinos stehen nicht nur im Konkurrenzkampf untereinander, sondern auch mit internationalen Plattformen, die oft aggressiver werben, höhere Boni bieten und weniger strenge Auflagen kennen. Dadurch entsteht ein regulatorisches Spannungsfeld: Je strenger ein Land reguliert, desto attraktiver erscheinen ausländische Angebote für Spielerinnen und Spieler.
Ein weiteres Dilemma ergibt sich für den Staat: Einerseits will er seine Bürger schützen, andererseits profitiert er von den Einnahmen aus dem legalen Glücksspiel. Die Abgaben der Schweizer Casinos fliessen unter anderem in die AHV und in gemeinnützige Projekte. Wenn Spieler aber auf ausländische Seiten ausweichen, verliert die öffentliche Hand nicht nur Steuergelder, sondern auch den Überblick über Spielverhalten und Risiken. Die Globalisierung macht es also notwendig, Regulierung neu zu denken, kooperativ statt isoliert.
Internationale Kooperationen und gemeinsame Standards
Ein Beispiel für einen solchen kooperativen Ansatz ist die neue Vereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein, die ab 2025 gegenseitige Spielersperren ermöglicht. Wer in einem Land vom Glücksspiel ausgeschlossen ist, soll auch im anderen Land gesperrt bleiben. Solche Initiativen zeigen, dass internationaler Austausch im Glücksspielbereich möglich und sinnvoll ist.
Langfristig könnte die Globalisierung dazu führen, dass sich gemeinsame Standards entwickeln, etwa bei Spielerschutz, Alterskontrolle oder Geldwäscheprävention. Die EU arbeitet bereits an solchen Harmonisierungsschritten, und auch die Schweiz wird kaum darum herumkommen, sich enger mit europäischen Partnern abzustimmen.
Zwischen Souveränität und Zusammenarbeit
Die Globalisierung ist im Glücksspielmarkt kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine dauerhafte Realität. Nationale Grenzen verlieren im digitalen Raum an Bedeutung, während internationale Anbieter immer stärker den Markt prägen. Für die Schweiz bedeutet das eine Gratwanderung: Sie muss ihre rechtliche und moralische Verantwortung gegenüber den Spielern wahren, ohne sich wirtschaftlich zu isolieren.
Die Zukunft des Glücksspiels wird deshalb von Kooperation und Transparenz abhängen, nicht vom Versuch, das Globale mit rein nationalen Mitteln zu kontrollieren. Globalisierung ist in diesem Bereich keine Bedrohung, sondern eine Einladung, Spielregeln gemeinsam zu gestalten. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Glück nicht zum Risiko wird, weder für den Einzelnen noch für die Gesellschaft.
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