Dienstag, 25. November 2025

Warum wir beim Glücksspiel so oft irrational entscheiden

Wie unser Gehirn Zufall falsch interpretiert

Lesezeit:           4 Min.
Publikation:      25. November 2025, Jonathan Schönholzer

Glücksspiel fasziniert Menschen seit Jahrhunderten. Nicht nur wegen der Aussicht auf einen Gewinn, sondern vor allem wegen des Gefühls, das Glück herauszufordern. Doch wer sich etwas genauer mit dem Verhalten von Spielerinnen und Spielern beschäftigt, stellt schnell fest: Die meisten Entscheidungen, die am Roulette-Tisch, beim Poker oder am Spielautomaten getroffen werden, haben wenig mit rationaler Überlegung zu tun. Stattdessen folgt unser Denken einer Reihe psychologischer Mechanismen und Verzerrungen, die uns systematisch in die Irre führen. Gerade in einer digitalisierten Welt, in der Glücksspiel jederzeit online verfügbar ist, wird dieses Phänomen immer relevanter, auch in der Schweiz.

Ein zentraler Faktor ist die Art und Weise, wie unser Gehirn Zufall interpretiert. Obwohl Glücksspiele auf statistisch klar definierbaren Wahrscheinlichkeiten beruhen, neigen wir dazu, Muster zu erkennen, wo keine sind. Dieses Phänomen nennt sich Gambler’s Fallacy oder Spielerfehlschluss. Wenn beim Roulette fünfmal hintereinander Schwarz fällt, denken viele Menschen, Rot sei „jetzt fällig“. Rational betrachtet stimmt das natürlich nicht: Jeder Dreh ist unabhängig vom vorherigen Ereignis. Doch unser Gehirn liebt Erzählungen und sucht ständig nach Ordnung. Dadurch überschätzen wir die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, die „dran sein müssten“.

Ein weiterer Klassiker der Entscheidungspsychologie ist das Heisses-Händchen-Phänomen. Hierbei glauben Spieler, sie hätten aktuell „einen Lauf“. Vielleicht haben sie gerade ein paar kleinere Gewinne erzielt, und plötzlich entsteht der Eindruck, man befinde sich in einer Erfolgsphase, die noch eine Weile anhält. Auch hier spielt unser Gehirn uns einen Streich. Wir verwechseln kurzfristige Schwankungen mit langfristigen Trends und überschätzen damit unsere Kontrolle über Zufallsereignisse.

Warum Verluste uns besonders stark beeinflussen

Noch stärker wirken kognitive Verzerrungen, wenn es um Verluste geht. Menschen empfinden Verluste viel intensiver als Gewinne, ein Konzept, das als Loss Aversion bekannt ist. Im Glücksspiel führt das häufig zu irrationalem Verhalten: Statt aufzuhören, wenn man im Minus ist, spielt man weiter, um den Verlust „zurückzugewinnen“. Dieser Drang, Verluste wettmachen zu wollen, treibt viele Spieler in immer riskantere Entscheidungen und ist ein zentraler Mechanismus bei der Entstehung problematischen Spielverhaltens.

Casinos und Online-Anbieter nutzen diese psychologischen Muster gezielt. Geräusche, Farben und Animationen verstärken den Dopaminkick, den schon ein fast gewonnener Spielzug auslöst. Besonders tückisch sind dabei die sogenannten „near misses“ Beinahe-Gewinne. Studien zeigen, dass fast getroffene Jackpots ähnliche Hirnreaktionen auslösen wie echte Gewinne. Für Spieler fühlt es sich an, als sei man „ganz nah dran“. Technisch betrachtet ist man aber genauso weit vom Gewinn entfernt wie in jeder anderen Runde.

Warum Bewusstsein der erste Schritt zur Kontrolle ist

In Online-Plattformen kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Verfügbarkeit. Man muss nicht mehr ins Casino gehen, ein Smartphone reicht. Belohnungssysteme, tägliche Boni und spielähnliche Elemente sorgen dafür, dass Glücksspiel heute stärker denn je auf menschliche Schwächen zugeschnitten ist.

Dass wir uns beim Glücksspiel irrational verhalten, ist also kein Zufall. Es liegt in der Funktionsweise unseres Gehirns. Wer sich dieser Mechanismen bewusst ist, kann bessere Entscheidungen treffen, oder im Idealfall bewusst Grenzen setzen. Denn am Ende geht es nicht darum, das Spiel zu schlagen. Es geht darum, die eigenen Gedanken zu verstehen.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben ohne Gewähr sind und Änderungen vorbehalten bleiben. Wir empfehlen, aktuelle Informationen direkt auf den jeweiligen Webseiten einzusehen.

Warum wir beim Glücksspiel so oft irrational entscheiden

Wie unser Gehirn Zufall falsch interpretiert Lesezeit:           4 Min. Publikation:      25. November 2025, Jonathan Schönholzer Glücksspi...