Hinter den Kulissen der Schweizer Regulierung
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Publikation: 09. Dezember 2025, Jonathan Schönholzer
Das Verhältnis zwischen Glücksspielbranche und Politik gehört zu den dauerhaft spannendsten und gleichzeitig am wenigsten transparenten Bereichen der Schweizer Wirtschaft. Während sich die Öffentlichkeit vor allem für Jackpot-Zahlen, neue Online-Casinos oder Spielsuchtprävention interessiert, bleibt oft im Hintergrund, wie eng Politik und Anbieter miteinander verflochten sind. Doch genau hier entstehen jene Entscheidungen, die darüber bestimmen, wer Glücksspiel anbieten darf, wie streng reguliert wird und wohin die Einnahmen letztlich fliessen.
Ein komplexes Geflecht aus Interessen
In der Schweiz ist Glücksspiel traditionell stark reguliert, gleichzeitig aber auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Die Abgaben der Casinos an AHV, Kultur- und Sportförderung schaffen eine politische Abhängigkeit, die kaum jemand offen anspricht. Einerseits profitiert der Staat finanziell, andererseits muss er jene Tätigkeiten regulieren, von denen er selbst Einnahmen bezieht. Dieses Spannungsfeld ist Nährboden für politische Debatten, Kompromisse und nicht zuletzt für Lobbyismus.
Konzessionen, Lobbyismus und politische Einflussnahme
Die wichtigste Schnittstelle zwischen Politik und Branche sind die Konzessionen. Ob ein Casino eine Bewilligung erhält, ist nicht nur eine technische, sondern immer auch eine politische Entscheidung. Standortfragen, wirtschaftliche Interessen der Kantone und die Erwartungen der Bevölkerung spielen dabei eine grosse Rolle. Wenn ein neuer Standort vorgeschlagen wird oder eine bestehende Konzession ausläuft, melden sich unweigerlich verschiedene Interessengruppen zu Wort: Gemeinden, die auf zusätzliche Steuereinnahmen hoffen, Tourismusverbände, die neue Gäste anlocken möchten, Gesundheitsorganisationen, die Risiken sehen und natürlich die Glücksspielanbieter selbst, die mit wirtschaftlicher Kraft und professionellen Kommunikationsstrategien auftreten.
Lobbyarbeit der Branche zeigt sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen existiert ein formelles Netzwerk aus Verbänden, Casino-Konsortien und spezialisierten Beratungsfirmen, die Gesetzesprozesse aktiv begleiten. Zum anderen gibt es eine informelle Ebene, auf der persönliche Kontakte, Branchenanlässe und politische Netzwerke eine Rolle spielen. In einem Land, in dem politische Entscheidungen stark von Kommissionen, Interessenverbänden und kantonalen Vertretungen geprägt sind, ist dies kaum überraschend. Dennoch stellt sich die Frage, wie unabhängig politische Akteure in Bereichen bleiben können, in denen finanzielle Interessen so direkt mit staatlicher Politik verknüpft sind.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Lobbyarbeit im Bereich des Online-Glücksspiels. Digitale Plattformen haben das Marktgefüge verändert: Sie sind skalierbarer, internationaler und schwerer kontrollierbar. Für die Schweiz, die nur Anbieter mit physischer Präsenz im Inland zulässt, entstehen neue wirtschaftliche Chancen, aber auch neue Regulierungsprobleme. Anbieter versuchen daher, politische Rahmenbedingungen mitzugestalten: etwa bei der Frage, wie streng illegale Onlineangebote verfolgt werden sollen oder welche technischen Standards für Spielerschutzsysteme gelten. Auch hier ist der Einfluss der Branche nicht immer offensichtlich, aber durchaus vorhanden.
Die Rolle der Zivilgesellschaft und das Gebot der Transparenz
Gleichzeitig gibt es auch Gegengewichte: Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, Präventionsfachstellen, aber auch gewisse Parteien erleben die Glücksspielbranche kritisch und fordern strengere Regeln, mehr Transparenz und konsequentere Bekämpfung illegaler Angebote. Sie fungieren als notwendige Gegenstimme in einem Feld, das ansonsten von wirtschaftlichen Argumenten dominiert wäre.
Wie lässt sich dieses Spannungsfeld lösen? Absolute Unabhängigkeit zwischen Glücksspiel und Politik ist kaum realistisch, denn die Branche ist ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Entscheidend ist daher Transparenz: klare Offenlegung von Lobbyaktivitäten, nachvollziehbare Konzessionsverfahren und regelmässige politische Debatten über Spielerschutz und Regulierungsqualität.
Denn je sichtbarer die Einflussnahme ist, desto geringer wird das Risiko, dass politische Entscheidungen zu sehr von wirtschaftlichen Interessen gelenkt werden und desto stärker bleibt das Vertrauen der Bevölkerung in ein System, das nicht nur Gewinne, sondern Verantwortung mit sich bringt.
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