Warum wir weiterspielen, obwohl wir verlieren
Lesezeit: 4 Min.Publikation: 15. Oktober 2025, Jessy Thür
Warum lassen
sich Menschen so stark von Verlusten treiben, gerade beim Spielen in Casinos oder an Geldspielautomaten? Die Antworten liegen in psychologischen
Mechanismen, die tief in unserer Neurobiologie, unserer Wahrnehmung und unserem
Entscheidungsverhalten verankert sind. Ob im klassischen Casino, in der
Spielhalle oder online: Das menschliche Geldspielverhalten folgt oft nicht
rationalen Mustern. Stattdessen werden Emotionen, Belohnungserwartungen und
Illusionen über Kontrolle aktiviert und genau darauf sind viele Spielsysteme
gezielt ausgelegt.
1. Strukturelle Designmerkmale und Belohnungserwartungen
Online-Spielautomaten und moderne Slots sind so konstruiert, dass sie permanent Erwartungen erzeugen – und zwar auch dann, wenn der Spieler verliert. Die Universität zu Köln hat untersucht, wie bestimmte Designmerkmale von virtuellen Spielautomaten dazu beitragen, fehlerhafte Erwartungen und Überzeugungen zu formen. Diese Maschinen nutzen Lernprozesse, die das Belohnungssystem im Gehirn aktivieren – und damit den Wunsch, weiterzuspielen, selbst bei Verlusten.Ein wichtiger Trick ist das Phänomen der „Near Misses“ – also sogenannter Fastgewinne. Hier sind zwei Gewinnsymbole richtig, das dritte nur knapp daneben. Objektiv ist kein Gewinn erzielt worden, aber subjektiv fühlt es sich an, als sei man dem Glück nah. Diese fast richtigen Ergebnisse aktivieren Belohnungssysteme ähnlich wie echte Gewinne und motivieren zum Weiterspielen.
2. Die Illusion der Kontrolle und „Chasing Losses“
Ein weiterer Mechanismus ist, dass Spieler nach einem Verlust oft glauben, sie könnten mit ihrer Erfahrung, Strategie oder „Glück“ den nächsten Gewinn erzwingen. Diese Illusion der Kontrolle führt dazu, dass Verluste nicht als Warnsignal dienen, sondern als Grund, mehr zu investieren – in der Hoffnung, das Verlorene zurückzugewinnen.Zudem ist unser Gehirn evolutionär so gepolt, dass es durch Aussicht auf Belohnung stark motiviert wird – selbst wenn die Belohnung unsicher ist. Der Gedanke „Vielleicht diesmal klappt’s“ reicht aus, um weitermachen zu lassen. Verlust wird somit weniger als Misserfolg, sondern als Teil des Spiels wahrgenommen.
3. Emotionale und sensorische Verstärker
Spielautomaten bedienen sich intensiver Reize: blinkende Lichter, animierte Bildschirme, spannende Geräusche – alles trägt dazu bei, die Sinne anzusprechen und das Erleben zu intensivieren. Diese Sinnesüberflutung sorgt für kurzfristige emotionale Höhen, die Aufmerksamkeit fesseln und den Fokus auf das Spiel legen, weg von der Realität und dem Verlust.Darüber hinaus spielt das Belohnungssystem eine zentrale Rolle – ähnlich wie bei anderen Formen der Sucht. Dopamin wird freigesetzt, nicht nur bei echten Gewinnen, sondern auch bei Erwartung, Spannung und Fastverlusten. Diese neurochemischen Rückkopplungen machen das Weiterspielen reizvoll – selbst wenn objektiv überwiegend Verluste anfallen.
4. Spielmotivation trotz kognitiver Einsicht
Interessanterweise wissen viele Spieler, dass sie langfristig kaum gewinnen können. Eine aktuelle Studie aus Deutschland („Spielmotivation und Spielfreude an Geldspielgeräten“) zeigt, dass die Mehrheit der Befragten klar ist, dass dauerhafte Gewinne unwahrscheinlich sind. Dennoch spielt ihnen die Spielfreude – also das Erlebnis, der Kick, die Spannung – eine bedeutendere Rolle als rein kalkuliertes Gewinnen.Damit wird deutlich: Psychologisch gesehen spielt nicht nur der Gewinn eine Rolle, sondern ganz wesentlich die emotionalen Komponenten – das Hochgefühl, die Spannung, das Auf und Ab. Verluste werden so oft in Kauf genommen als Preis für dieses Erlebnis.
Verstehen, um sich zu schützen
Das ständige Weiterspielen trotz Verlusten ist kein Widerspruch – sondern eine Kombination aus Designtricks, neurobiologischen Belohnungssystemen, emotionaler Reizverstärkung und menschlichen Denkfallen wie der Illusion der Kontrolle. Spielautomaten sprechen Aspekte an, die tief in unserer Psyche verankert sind: Hoffnung, Erwartung und das Verlangen nach Spannung.Wer verstehen will, wie man sich vor problematischem Spielverhalten schützt, sollte diese Mechanismen kennen. Bewusstes Spielen, Limitsetzungen, Pausen – und im Zweifel professionelle Hilfe – sind Wege, um nicht in die Spirale von Verlusten und Kontrollverlust zu geraten.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben ohne Gewähr sind und Änderungen vorbehalten bleiben. Wir empfehlen, aktuelle Informationen direkt auf den jeweiligen Webseiten einzusehen.